Position zum Thema Konfliktrohstoffe

Rohstoffpolitik

Im Juli 2010 hat US-Präsident Obama den „Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“ (DFA) unterzeichnet. Mit den am 22. August 2012 von der US-Börsenaufsicht (SEC) veröffentlichten Durchführungsrichtlinien ist der DFA in Kraft getreten. Sektion 1502 des DFA betrifft die Produktion und den Handel von sogenannten Konfliktrohstoffen. Danach müssen Unternehmen, die an der US-Börse notiert sind, angeben, ob ihre Produkte Zinn, Tantal, Wolfram und Gold enthalten, die aus der Konfliktregion der Demokratischen Republik Kongo (DRK) oder ihren Nachbarstaaten stammen und nachweisen, dass diese „konfliktfrei“ sind. An der SEC gelistete Unternehmen müssen erstmals zum 31. März 2014 über das Kalenderjahr 2013 an die SEC berichten. Die deutschen Unternehmen der Nichteisen-Metallindustrie sind als Zulieferer für solche Unternehmen indirekt von den Regulierungen des DFA betroffen, denn die Anforderungen des Herkunftsnachweises werden innerhalb der Wertschöpfungskette weitergegeben.

Die Situation in der DRK erfordert Handeln

Der Abbau, Transport und Handel von Rohstoffen im Osten der DRK, sowie in angrenzenden Gebieten, wird häufig von bewaffneten Gruppen kontrolliert und trägt damit, nach einem UNBericht aus dem Jahre 2003, zur Finanzierung militärischer Konflikte bei.1 Diese Konflikte destabilisieren die Region durch bewaffnete Auseinandersetzungen und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Die Nichteisen-Metallindustrie unterstützt daher die Bemühungen, die Finanzierung von Rebellengruppen durch den Kleinbergbau in der DRK oder in deren Nachbarstaaten, zu unterbinden.

Der Schwerpunkt der Verantwortung liegt bei der Politik

Die Förderung demokratischer Entwicklung und guter Regierungsführung sind jedoch vornehmlich Aufgaben der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Die Wirtschaft kann und wird diesen Prozess unterstützen, aber nicht ersetzen. Eine Einmischung von Wirtschaftsunternehmen in die politische Ausrichtung von Rohstoffländern kann weder Ziel noch Resultat entsprechender Initiativen
sein.

Die Nichteisen-Metallindustrie nimmt ihre Verantwortung wahr

Es besteht bereits heute eine Vielzahl sich zum Teil überschneidender Ansätze zum Umgang mit Konfliktrohstoffen. Genannt seien insbesondere die OECD Due Diligence Guidelines, in denen sich die deutsche Nichteisen-Metallindustrie aktiv beteiligt. Derzeit wird die OECD Due Diligence Guideline im Rahmen von freiwilligen Initiativen wie dem Conflict?Free Smelter Programm der EICC oder der ITRI Tin Supply Chain Initiative umgesetzt. Die Unternehmen der Nichteisen?Metallindustrie sind sich ihrer verantwortlichen Position innerhalb der Wertschöpfungskette bewusst und setzen bereits seit Jahren auf diese freiwilligen Initiativen.

Der Dodd-Frank-Act begegnet verschiedenen Schwierigkeiten

Die Einführung eines verpflichtenden Herkunftsnachweises, wie es der DFA vorsieht, begegnet unterschiedlichen Schwierigkeiten. Deutlich wird dies auch aus der erst nach 2 Jahren erfolgten Veröffentlichung der Durchführungsrichtlinien durch die US?amerikanische Börsenaufsicht SEC und der eingeräumten Übergangsfristen von zwei bzw. für KMU vier Jahren.

de facto Embargo: Der Dodd-Frank-Act wirkt schon heute wie ein de facto Embargo. Derzeit ziehen sich betroffene Firmen aus Sorge vor Imageverlusten aus der Great-Lakes-Region zurück und suchen andere Bezugsregionen für ihre Rohstoffe. Die Menschen und Familien in der DRK sind jedoch auf den Kleinbergbau angewiesen, da er die wichtigste Einkommensquelle darstellt. Diese nicht-intendierten Wirkungen des DFA wirken als Entwicklungshemmnis. Das zeigt, dass auch gut gemeinte Regulierung am Ende ihr Ziel verfehlen kann.

Unpraktikabilität: Der im DFA vorgesehene produktbezogene Ansatz zeichnet sich durch eine große Komplexität aus. Endprodukte, wie z.B. ein Mobiltelefon, bestehen aus tausenden verschiedenen Stoffen und Teilen mit ebenso vielen Zulieferern. Die kaskadenartige Informationssammlung bedeutet einen unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand. Es ist praktisch unmöglich, von allen Beteiligten innerhalb der Wertschöpfungskette von der Mine bis zum Endprodukt eine Unbedenklichkeitserklärung zu erhalten.

Wettbewerbsverzerrungen: Zusätzlicher bürokratischer Aufwand bedeutet höhere Kosten für die Unternehmen, die den Vorgaben des DFA folgen. Wenn kein internationales level playing field sichergestellt wird, entstehen  Wettbewerbsverzerrungen. Schon heute ist jedoch aufgrund der rückläufigen Marktpräsenz europäischer und amerikanischer Unternehmen ein zunehmendes Engagement solcher oftmals chinesischer Unternehmen in der DRK zu beobachten, welche die Empfehlungen der OECD zu Sozialstandards beim Abbau von Rohstoffen nicht beachten. Zudem haben sich neue, illegale Absatzmärkte etabliert. Der
DFA forciert eine weitere Entwicklung in diese Richtung und erreicht damit das Gegenteil der von ihm intendierten Wirkung.

Identifizierbarkeit von Konfliktrohstoffen: Die Kriterien, nach denen Konfliktrohstoffe und – regionen identifiziert werden, sind im DFA nicht nachvollziehbar definiert. Die OECD Guidelines beschreiben zwar genau, wann eine Mine konfliktfrei ist, die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort ändern sich jedoch permanent. Es ist daher eine kontinuierliche Überwachung der Minen notwendig, wie es im Rahmen von Initiativen wie iTSCi und ICGLR angestrebt ist. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat die Bemühungen der ICGLR bereits frühzeitig mit Projekten zur nationalen und regionalen Zertifizierung von Minen und Transportwegen unterstützt. Der Ansatz von unabhängigen Audits basierend auf vor?Ort?Inspektionen und Plausibilitätsprüfungen der Dokumentationen ist hilfreich und unterstützenswert, kann aber nicht die Aufgabe der verarbeitenden Unternehmen in der Wertschöpfungskette sein.

Sekundärrohstoffe: Nach den SEC Durchführungsrichtlinien sind Sekundärrohstoffe zu Recht aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Denn einerseits werden mit Sekundärrohstoffen keine Konflikte finanziert. Anderseits ist gerade für Branchen, die von hohen Recyclingquoten geprägt sind, die Abgabe einer Unbedenklichkeitserklärung nahezu unmöglich. In der Nichteisen-Metallindustrie werden Recyclingquoten von über 50 Prozent erreicht. Dabei wird das Metall nicht nur einmal, sondern unbegrenzt oft wiederverwendet, denn Metalle werden nicht verbraucht, sondern gebraucht. Der Nachweis, woher die Abfallfraktionen und die sich darin befindlichen – bereits mehrfach in den Wertstoffkreislauf zurückgeführten – Rohstoffe stammen, ist daher praktisch nicht möglich.

Keinen „europäischen Dodd-Frank-Act“

Solange keine hinreichend positiven Erfahrungen mit der Umsetzung der Regulierung bestehen und die Praktikabilität bzw. Zielerreichung in der Konfliktregion mittels Evaluation nicht sichergestellt ist, sollte von einer Überführung der Regulierung des DFA in europäisches Recht abgesehen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Rechtsgültigkeit von Sektion 1502 DFA derzeit von der USA Chamber of Commerce und der America´s National Association of Manufacturers mit einer Klage vor dem U.S. Court of Appeals in Zweifel gezogen wird.

WVM begrüßt die Absicht, die Transparenz im Rohstoffsektor zu erhöhen. Die verschiedenen europäischen und nationalen Initiativen müssen sich jedoch einer umfassenden Folgenabschätzung unterziehen, die insbesondere die Frage nach Wettbewerbsverzerrungen für die deutsche und europäische Industrie beantwortet. Dabei ist freiwilligen Ansätzen, die auf Ebene der OECD für das verantwortungsvolle Management von Lieferketten formuliert wurden, der Vorzug zu geben.

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